An
Herrn Daniel Bahr
Bundesminister für Gesundheit
Friederichstr.108
10117 Berlin
Norden, den 27.09.2011

Betr.: Schriftwechsel des Landesvorsitzenden des FVDZ Herrn Dr. Julius Beischer,  Hannover mit    Ihnen, bzw. Ihrem Staatssekretär Herrn Thomas Ilka, Bonn

Sehr geehrter Herr Bundesminister,
sehr geehrter Herr Bahr,
ich möchte mich bei Ihnen für die deutlichen Worte Ihres Staatssekretärs im Antwortschreiben des inzwischen veröffentlichten Briefwechsel zum Thema ’neue GOZ‘ mit dem Landesvorsitzenden des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte Herrn Dr. Julius Beischer, Hannover, ganz herzlich bedanken.

Diese deutlich formulierten Aussagen und Hintergründe hat die Zahnärzteschaft bis dato nicht gekannt. Wir kannten bisher nur verklausulierte, schwammige Auskünften ihrer Vorgängerinnen im Ministerium, Frau Schmitt und Frau Fischer, und fadenscheinige Pressekampagnen in den Richtungen ‚Abzocker‘, ‚Betrüger‘ und ‚Privat- und Kassenpatient‘. Zufällig immer dann in der Tageszeitung mit den vier großen Buchstaben veröffentlicht, wenn die Zahnärzteschaft ihre mehr als berechtigten Forderungen deutlich vertreten hat.

Ihr Herr Staatssekretär fragt nach Zahlen, in welcher Größenordnung wir uns eine Erhöhung vorstellen könnten, so als wäre unser berechtigtes Ansinnen ein Wunschkonzert.

Ich darf einige andere Zahlen zur Kenntnis bringen, die bei halbwegs seriöser Recherche im Statistischen Bundesamt oder alternativ bei jeder Landeszahnärztekammer
(Quelle: NZB 7-8 / 2011) zu erhalten gewesen wären:

Allgemeine Preisentwickelung (ausgewählt) von 1988 bis heute:

PKW, gehobene Mittelklasse – Anstieg: 60%
Kfz- Werkstatt Arbeitswert – Anstieg: 72 %
Rundfunkgebühren – Anstieg: 132 %
Benzin – Anstieg: 212 %
PKW – Hauptuntersuchung – Anstieg: 225%
Heizöl – Anstieg: 444 %

Prozentuale Steigerungsraten von 1988 bis 2009

Einnahmeüberschuss Zahnarztpraxis + 27 %
Verbraucherpreisindex + 51 %
Beamtenbesoldung A16 + 61 %
Diäten der Abgeordneten des Dt. Bundestages + 92 %
(pers. Anm.: ein Schelm der Böses dabei denkt)

Kostensteigerung in der Zahnarztpraxis (hier Verbrauchsmaterial) von 1988 bis 2011

z.B. Geräte – Pflegemittel  + 330 %
Ätzgel f. Kunststofffüllungen + 219 %
Desinfektionsmittel + 179 %
Devitalisierungsmittel + 97 %
Prov. Füllungsmaterial  + 93 %
Abformmaterial + 92 %
Befestigungszement + 78 %
Händedesinfektionsmittel + 73 %
Polierpaste + 53 %
Anästhetikum 100 Ampullen  + 33%

Und unter allen diesen Beispielen steht:
Anstieg des Punktwerts in der Gebührenordnung für Zahnärzte
seit 1988: 0,0 %   !!!

Anhand dieser Zahlen dürfte es Sie nicht verwundern, dass die Zahnärzte den Referentenentwurf rundweg ablehnen und die in Ihrem Hause errechnete Erhöhung um 6 % als Betrug am Berufsstand und Volksverdummung ansehen. Seriöse Berechnung der Zahnärztlichen Abrechnungsgenossenschaft in Düsseldorf, die die Jahresabrechnung für 2010 testweise zu den Bedingungen der neuen GOZ durchgeführt haben, sehen eine tatsächliche Absenkung im Bereich zwischen 7 – 10% auf die durchschnittliche Praxis zu kommen, und ich möchte gar nicht erst in die Situation geraten, Ihnen (bzw. Ihrem Nachfolger) diese Zahlen bestätigen zu müssen, legitim wäre, s.o., eine Erhöhung um sage und schreibe ca. 60 %!

Dieses Geld wird dem Berufsstand verweigert, weil die öffentlichen Kassen leer sind. Nein, das stimmt ja gar nicht. Korrekterweise müsste es heißen: Für diesen Zweck sind die öffentlichen Kassen leer!
Wir, die Zahnärzte, kümmern uns dagegen engagiert und verantwortungsvoll um die Zahngesundheit unserer kleinen und großen Patienten, wir bilden z.Zt. allein im Flächenland Niedersachsen jährlich tausende junge Mitarbeiterinnen im Berufsbild der zahnmedizinischen Fachhelferin aus. Wir halten zudem in unseren Praxen zehntausende an Frauen-Arbeitsplätze vor.

Und dieser Berufsstand hat speziell in Niedersachsen Wahlkampf gemacht. Wahlkampf mit dem Ziel die FDP in die Regierung zu bringen, was auch gelungen ist.

Aber wir sind auch der Berufsstand, der es leid ist, von genau diesen Politikern jetzt für dumm verkauft zu werden! Sie müssen sich an dem messen lassen, was vor der Wahl speziell hier in Niedersachsen von Ihrem Vorgänger im Amt und jetzigen Ministerkollegen Herrn Dr. Rössler z.B. auf der Generalversammlung der V.u.V. und der Landesversammlung des FVDZ so visionär dargestellt worden ist. Der ‚Papierkrieg‘ nimmt wundersamer weise weiter zu, siehe Referentenentwurf; die eGK ist noch nicht abgeschafft (warum musste ich mir noch ein neues Kartenlesegerät anschaffen?), eine leistungsgerechte Entlohnung ist bedauerlicherweise nur im Grundgesetz verankert….
Und das ist die Erkenntnis in diesem Briefwechsel, für die ich mich nochmals ausdrücklich bei Ihnen bedanken möchte.

Jetzt hat auch die letzte Kollegin und der letzte Kollege verstanden, dass wir seitens der Politik, auch der freiheitlich – demokratischen als letztem Hoffnungsträger, nichts, aber auch gar nichts, erwarten können!

Und das wiederum vereint die Basis des Berufsstandes bundesweit in einer Zeit, in der deren Spitzenfunktionäre in BZÄK und KZBV unverständlicherweise und bar jeder Realität auf Konsens und Schmusekurs setzen.

Aber Zeiten ändern sich, und sie werden sich ändern
Mit freundlichen Grüßen
Ihr zukünftiger Ex-Wähler
Dr. Andreas Dohle

PS.: Ich werde mit jedem diskutieren, der seit 25 Jahren keine Lohnerhöhung erhalten hat. Aber selbst  die moralisch – ethische ‚Klatsche‘ ist inzwischen populistisch zu sehr abgenutzt, als dass sie noch wirkt. Verzichten Sie daher bitte auf einen vorgefertigen Antwortbrief irgendwelcher Lakaien!